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Die Polyvagal-Theorie – die 7 wichtigsten Fragen zur Behandlungsmethode für Traumapatienten

Die Polyvagal-Theorie – die 7 wichtigsten Fragen zur Behandlungsmethode für Traumapatienten

Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, warum du dich im Umfeld vertrauter Personen sicher fühlst, während du bei anderen Begegnungen ein Gefühl des Unwohlseins und der Gefahr verspürst? Selbst ein Baby empfindet die Umarmung einer ihm fremden Person als unangenehm und beginnt zu weinen. Eine mögliche Antwort auf diese Frage liefert der Prozess der Neurozeption, den der US-amerikanische Arzt Stephen Porges in seiner Polyvagal-Theorie entwickelt. Diese unbewusste Wahrnehmung in deinem Gehirn bestimme, ob Situationen sicher oder gefährlich eingeschätzt werden. Wir beantworten dir hier die wichtigsten Fragen zur Polyvagal-Therapie und wie sie hilfreich in der Traumatherapie eingesetzt wird.

Was ist ein Akuttrauma?

Ein schlimmes einschneidendes Ereignis kann im Menschen ein Akuttrauma auslösen, das häufig gravierende Folgen für das Leben des Betroffenen hat. Es besteht zudem die Gefahr, jederzeit nach einem Akuttrauma eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu entwickeln. Die Polyvagal-Therapie ist eine Methode, die Folgen für die Patienten abzumildern. Unzählige Vorfälle können ein Akuttrauma auslösen. Dazu gehören beispielsweise lebensbedrohliche Situationen, Erkrankungen oder die Augenzeugenschaft bei Katastrophen.

Welchen Nutzen hat die Polyvagal-Theorie in der Traumatherapie?

Die Polyvagal-Theorie versucht, das "Warum" von Verhaltensweisen der Patienten zu erklären, und wird deshalb zur Behandlung schwer traumatisierter Menschen eingesetzt. Traumatisierte Menschen sind häufig nicht in der Lage, ihr Handeln willentlich zu beeinflussen. Die Selbstregulation des vegetativen Nervensystems ist schlichtweg ausser Kraft gesetzt. Die Polyvagal-Therorie basiert auf der Annahme, dass Handlungen geschehen, ohne dass sie für unseren Verstand Sinn machen. Betroffene werden dadurch massiv entlastet, weil sie dann nicht selbst an ihrem Verhalten schuld sind. Gleichzeitig haben Therapeuten die Möglichkeit, ihre Patienten in ein neues Verhaltensmuster zu führen.

Was ist der Sympathikus und welchen Einfluss hat er auf unseren Körper?

Im Alltag der Menschen geht es zum Glück meistens nicht mehr ums tägliche Überleben. Dennoch arbeitet unserer vegetatives Nervensystem auch in der heutigen Zeit immer noch nach dem Muster unserer Vorfahren: Es unterscheidet unbewusst zwischen Sicherheit und Gefahr. Der Sympathikus als Teil des vegetativen Nervensystems ist dafür zuständig, den Körper in eine höhere Leistungsbereitschaft zu versetzen. Er wird aktiv, wenn Gefahr droht und unser Körper Aufmerksamkeit und Konzentration fordert. In dieser Phase wird Adrenalin als sogenanntes Stresshormon freigesetzt. Das Herz schlägt schneller und die Atmung wird flacher. Sein Gegenspieler im vegetativen Nervensystem, der Parasympathikus, bringt uns hingegen aus dem erregten Gesamtzustand wieder in eine Ruhesituation. Durch ein Trauma kann das gegenseitige Wechselspiel der Funktionen von Sympathikus und Parasympathikus nachhaltig gestört werden.

Welchen Einfluss hat die Atmung auf den Körper?

Dein vegetatives Nervensystem steuert deine Atmung. In Ruhe übernehmen der Parasympathikus und der Vagusnerv diese Aufgabe. Mit zunehmendem Stress geht die Steuerungsfunktion auf den Sympathikus über. Unsere Atmung ist dabei ein Spiegelbild für unseren inneren Zustand. Du merkst, wie du zunehmend gereizt wirst, und die Aktivität deines sozialen Systems wird herabgesetzt. Dies ist der Zeitpunkt, an dem viele Menschen die Kontrolle über ihren Körper und ihr Verhalten verlieren. Traumatisierten Personen passiert das sogar in anscheinend ungefährlichen Situationen. Im Extremfall kann es zu einem vollständigen Erstarren oder auch zur Ohnmacht kommen. Bei einer Traumatherapie lernst du, diesen Zustand zu kontrollieren, deine Atmung zu regulieren und nicht in rein vegetative Zustände abzurutschen.

Was sind die Reaktionsmuster der Polyvagal-Theorie?

Die Polyvagal-Theorie geht von drei Reaktionsmustern aus:

  1. Sicherheit: Das Social Engagement System bestimmt unser Verhalten, wenn wir uns sicher fühlen. Du kannst schnell auf deine Umgebung eingehen und rasch zu anderen Menschen in Beziehung treten. Bist du häufig in diesem Reaktionsmuster, sind die Auswirkungen auf deinen Gesundheitszustand hervorragend. Fühlst du dich aber zunehmend angespannt, wechselst du in das zweite Reaktionsmuster und es beginnt die Aktivierung des Sympathikus.
  2. Gefahr: Der Sympathikus übernimmt zunehmend und es erfolgt eine Veränderung deines Verhaltens. Du fühlst dich gefordert oder gestresst. Dein Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt und die Atmung wird kurz und flach. Dein Körper ist in höchster Alarmbereitschaft.
  3. Lebensbedrohung: Steigert sich die Gefahr soweit, dass sie dein vegetatives Nervensystem als lebensbedrohlich einschätzt, schaltet der Vagus dich quasi ab. Diese Situation setzt etwa bei einem traumatischen Erlebnis ein. Sie führt zum Erstarren, in Ohnmacht Fallen oder Sich-Tot-Stellen, ohne dass eine weitere Bewegung möglich wäre.

Wie werden soziale Beziehungen aufgebaut?

Für soziale Beziehungen ist es wichtig, dass Defensivreaktionen mit erhöhter Erregbarkeit ausser Kraft gesetzt werden. Die unbewusste Wahrnehmung muss wieder in das ursprüngliche Gleichgewicht gebracht werden. Alternativ muss der Patient lernen, wie er mit Situationen umgeht, in denen sein vegetatives Nervensystem eine Situation falsch einschätzt. Die Methoden der Traumatherapie haben als Ziel, dass sich der Patient bei bestimmten Menschen wieder in vollständiger Sicherheit wägen kann.

Welche Implikationen gibt es für die therapeutische Praxis?

Bei der Traumatherapie werden Methoden angewandt, um einen natürlichen Wechsel zwischen Sympathikus und Parasympathikus wieder zuzulassen. Nur wenn alle drei Reaktionsmuster sich abwechseln, ist der Mensch gesund. Durch ein Akuttrauma kann die Neurozeption falsch laufen und ein Mensch empfindet Situationen als bedrohlich, obwohl sie das gar nicht sind.

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